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Ein wettertechnisch turbulentes Jahr 2022

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Autor: Sina Ruhwedel

Hamburg Wasser hat den Wasser-Report 2021/2022 vorgestellt.

Hamburg Wasser stellt den Hamburger Wasser-Report 2021/2022 vor und präsentiert ein Projekt zum Wasserrecycling. Niederschlags- und Hitzrekorde zeichneten das Jahr 2022 aus.

Überduchtschnittlich nasser Winter

Positiv ist die Bilanz der verzeichneten Niederschlagsmengen. Insbesondere das für die Grundwasserneubildung wichtige Winterhalbjahr 2021/2022 war überdurchschnittlich nass. Welche Veränderungen für das Grundwasser angesichts des Klimawandels zu erwarten sind, hat Dr. Daniel Petry, Experte für Wasserwirtschaft beim Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), während der Vorstellung des Wasser-Reports erläutert. Aktuelle Modellrechnungen zeigen demnach, dass im langjährigen Durchschnitt tendenziell eine Zunahme der Winterniederschläge zu erwarten ist. Eine nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung vorausgesetzt, stehen die Grundwasserressourcen auch künftig zur Trinkwassergewinnung in ausreichender Menge zur Verfügung. Hamburg Wasser hat angekündigt, weiter für das Wassersparen zu werben und ein innovatives Forschungsprojekt präsentiert. Dessen Erkenntnisse könnten dem Unternehmen künftig helfen, selbst Wasser zu sparen.

Für den vorliegenden Bericht hat Hamburgs Wasserversorger Verbrauchsdaten der Kundinnen und Kunden, Daten unternehmenseigener Klimastationen, repräsentative Grundwasserganglinien sowie Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) systematisch ausgewertet und mit Messwerten aus vorangegangenen Jahrzehnten verglichen.

„Wir müssen möglichst genau wissen, wie sich die Ressource Wasser und ihre Nutzung entwickelt und welchen Einfluss der Klimawandel künftig noch haben kann. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für die strategische Ausrichtung unseres Unternehmens“, erläutert Geschäftsführer Ingo Hannemann.

Grundwassernuebildung bleibt tendenziell gleich

Bilder trockener Bäche und niedriger Wasserstände großer Flüsse aus Deutschland und ganz Europa haben die Bedeutung von Wasser als elementare Lebensgrundlage in diesem Sommer ins kollektive Bewusstsein gerückt.

„Die Frage, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Wasserressourcen in Zukunft noch haben wird, treibt viele Menschen in Deutschland und die gesamte deutsche Wasserwirtschaft um“, sagt DVGW-Wasserexperte Dr. Daniel Petry. „Unser Verband hat die Auswirkungen aktueller Klimaprojektionen auf den Wasserhaushalt modellieren lassen und verglichen.Im Ergebnis zeigt sich, dass nahezu über alle Klimaszenarien hinweg von einer Zunahme der Winterniederschläge ausgegangen wird.“

Obwohl die Vegetation künftig mehr Wasser benötigen werde, gehen namhafte Forschungsinstitute wie beispielsweise das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung nach heutigem Stand davon aus, dass die Grundwasserneubildung im Norddeutschen Raum nicht rückläufig wird. Eher im Gegenteil: „Im Trend sagen die allermeisten Prognosen gleichbleibende bis leicht steigende Grundwasserneubildungsraten bis 2100 voraus“, stellt Daniel Petry fest. Er weist aber auch darauf hin, dass diese Aussage für den langjährigen Durchschnitt gilt, denn gleichzeitig nehmen auch Dauer und Ausmaß klimatischer Extreme wie zum Beispiel Hitze- und Trockenperioden zu.

Wetterbilanz 2021/2022: Extrem, aber durchschnittlich

Mehr Hitze und Trockenheit im Sommer, mehr Niederschläge im Winter – die großen Trends, die die Klimaforschung für die Zukunft prognostiziert, sind in den vergangenen Monaten bereits eingetreten, wie der Wasser-Report verdeutlicht. Er betrachtet den Zeitraum von November 2021 bis Oktober 2022. Dieser auch als hydrologisches Jahr bezeichnete Zeitraum bildet das saisonale Wettergeschehen von Winter- und Sommerhalbjahr besser ab als das kalendarische Jahr.

Mit einer an der DWD-Wetterstation in Hamburg-Fuhlsbüttel gemessenen Jahresniederschlagsmenge von 750 mm bewegt sich das hydrologische Jahr 2021/2022 auf exakt dem Durchschnittswert seit 1891 und liegt nur knapp unter dem Vergleichswert der letzten 30 Jahre (770 mm). Bezogen auf das Grundwasser ist erfreulich, dass das für die Neubildung besonders relevante hydrologische Winterhalbjahr mit einer Niederschlagssumme von 404 mm überdurchschnittlich nass war. Gegenüber dem Durchschnittswert der Jahre 1991-2020 legten die Niederschläge zwischen November 2021 und April 2022 um gut 15 Prozent zu. Allerdings sind die Niederschläge sehr unregelmäßig gefallen. Während der extrem regenreiche Monat Februar mit 153 mm knapp dreimal so viel Niederschlag brachte wie in diesem Monat üblich und damit als bislang nassester Februar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte eingeht, liegt der März mit 18 mm Niederschlag gut 70 Prozent unter dem langjährigen Schnitt. Ein vergleichbares Bild zeigt sich im Sommer: Hier hebt sich der August mit 11 mm Niederschlag deutlich vom 30-jährigen Referenzwert (78 mm) ab. Gleiches gilt für den September, der 121 mm wesentlich regenreicher als üblich war (Durchschnittswert 1991-2020: 65 mm).

Heißer Sommer 2022

Der Wasser-Report belegt, dass der Sommer 2022 sehr heiß war. Insgesamt gab es zehn Tage mit mehr als 30 Grad Celsius. Am 20. Juli wurde ein neuer Hitzerekord erreicht: Der Deutsche Wetterdienst meldete zunächst 39,1 Grad Celsius für die Wetterstation Fuhlsbüttel, nachmittags wurden im Stadtteil Neuwiedenthal sogar 40,1 Grad gemessen – knapp drei Grad mehr als der bisherige Rekordwert aus 1992 (37,3 Grad Celsius). Hitze und ausbleibender Niederschlag machten sich im Oberboden im Verlauf des Sommers immer deutlicher bemerkbar. Zwischen Juni und Ende August trocknete dieser in den obersten 30 Zentimetern vollständig aus. Erst die kräftigen Niederschläge im September brachten Erleichterung.

Anders als in den Vorjahren korrelierten die heißen Tage in diesem Sommer nicht mit rekordverdächtigen Wasserverbräuchen. „In diesem Jahr gab es keinen einzigen Tag, an dem wir mehr als 400.000 Kubikmeter Trinkwasser abgegeben haben“, bilanziert Ingo Hannemann. In den Vorjahren ist diese für die technischen Systeme zur Wasserversorgung herausfordernde Nachfrage häufiger erreicht worden, im Sommer 2018 sogar an 21 Tagen.

„Wir können nicht abschließend sagen, was die Zurückhaltung in diesem Jahr bewirkt hat, aber das Beispiel zeigt: Wassersparen ist ohne Komforteinbuße möglich – auch im Sommer“, freut sich Ingo Hannemann.

Grundwasser langfristig sichern

Dass ein sparsamer Umgang mit der Ressource sinnvoll ist, zeigt die Auswertung der Grundwasserganglinien. Diese haben sowohl in den tiefen als auch in den flachen Grundwasserleitern infolge der trockenen Jahre 2018-2020 eine sinkende Tendenz aufgewiesen. In den flachen Grundwassermessstellen ist dieser Abwärtstrend gestoppt. „Durch das nasse Winterhalbjahr weisen unsere oberflächennahen Messstellen überwiegend wieder normale Wasserstände auf“, sagt Ingo Hannemann. In den tief liegenden Grundwasserleitern wird dieser Effekt verzögert erwartet: „Das tiefe Grundwasser entwickelt sich in einem mehrjährigen Rhythmus. Seine Ganglinien bilden das Niederschlagsgeschehen mehrjähriger Zeiträume ab. Nachdem die Winterhalbjahre zwischen 2018 und 2020 sehr trocken waren, hat die Erholung dort noch nicht eingesetzt.“

Wassersparen ist Gemeinschaftsaufgabe

Obwohl die Klimaforscher des Helmholtz-Instituts auf lange Sicht von keiner Verringerung der Grundwasserneubildung ausgehen, zeigen die Klimamodelle, dass die Variabilität einzelner Jahre teilweise erheblich sein kann. Langanhaltende Trockenphasen können ebenso wie ausgeprägte Nassphasen zur Regel werden.

Umso wichtiger ist der nachhaltige Umgang mit der Ressource Wasser, wie Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan betont: „Grundwasser ist für uns sprichwörtlich von elementarer Bedeutung und sein Schutz hat oberste Priorität. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meiner Behörde und ich arbeiten intensiv daran, unsere Stadt auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. In einer Hafen- und Industriestadt wie Hamburg bedeutet das, trotz eng bebauter Quartiere möglichst viel Regenwasser versickern zu lassen, um damit die Grundwasserneubildung zu fördern. Die dafür nötige Anpassung der Infrastrukturen verfolgen wir konsequent. Ziel ist der naturnahe Umgang mit Wasser – auch und gerade im dicht besiedelten Raum. Daneben ist das konsequente Wassersparen ein wichtiger und einfacher Schritt, den jede und jeder kurzfristig ergreifen kann. Hier haben wir bereits einiges erreicht, sollten uns darauf aber nicht ausruhen.“

Während die Verbräuche der öffentlichen Wasserversorgung seit 1990 um gut 20 Prozent gesunken sind, steigen die Bedarfe in anderen Sektoren.

„Angesichts des Klimawandels wird der Wasserverbrauch beispielsweise der Landwirtschaft von alleine nicht geringer. Aktuell lohnt es sich für die landwirtschaftlichen Betriebe aber kaum, in effizientere Beregnungstechnik zu investieren. Die Politik täte gut daran, entsprechende Anreizsysteme zu schaffen, um die notwendige Modernisierung der Feldberegnung zu beschleunigen“, fordert Ingo Hannemann.  „In unseren Fördergebieten arbeiten wir mit Land- und Forstwirten sowie anderen Versorgern und Naturschutzvereinen gut zusammen und erreichen damit viel für den lokalen Wasserhaushalt. Diese Beispiele könnten Schule machen.“

Aktuell erforscht Hamburg Wasser am Standort des Wasserwerks Süderelbmarsch zusammen mit Partnern aus der Branche und der Wissenschaft eine innovative Technologie zum Wasserrecycling. Im Rahmen eines Pilotprojekts wird dort Spülwasser aufbereitet, das zum Reinigen der Sandfilter des Werks benötigt wird und anschließend bislang aufbereitet in einen Bach fließt. Durch verbesserte Aufbereitungsschritte könnte es, so der Forschungsansatz, direkt wieder in die Trinkwasserproduktion einbezogen werden – und damit den Bedarf an Grundwasser senken.

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