Der diesjährige Forschungspreis des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) geht an das Wissenschaftler-Team um den Umweltinformatiker Prof. Dr. Olaf Kolditz. Seit mehr als 15 Jahren entwickelt die interdisziplinäre Forschergruppe das wissenschaftliche Softwaresystem OpenGeoSys, mit der sich Umweltprozesse in Geo- und Hydrosystemen, aber auch technischen Anlagen simulieren lassen. Die Open-Source-Software kommt jetzt zum Einsatz, um die möglichen Standorte für die Endlagerung radioaktiver Abfälle von Kernkraftwerken auf ihre Eignung und langfristige Sicherheit hin zu untersuchen.
Software auch anwendbar für Grundwasserressourcen
“Unsere Software lässt sich für zahlreiche Fragestellungen einsetzen, wir haben OpenGeoSys bewusst als denkbar breit anwendbare Plattform für Systemanalysen konzipiert”, sagt Olaf Kolditz, der am UFZ das Department Umweltinformatik leitet. Zur Untersuchung von Grundwasserresourcen kann die Software ebenso verwendet werden wie für die Simulation von geothermischen Energiesystemen oder die Einlagerung von CO2 im geologischen Untergrund. “Manche dieser Anwendungen wie etwa thermochemische Energiespeicher waren so neu, dass es sie noch gar nicht gab, als wir angefangen haben, die Software zu entwickeln”, so Olaf Kolditz.
Modellierung als Workflow
Genau darin zeigt sich die besondere Qualität des Programms: Die Modellierung wird darin als Workflow betrachtet, wie es das Team nennt – die Nutzer geben zunächst zahlreiche Daten aus der zu untersuchenden Region ein (etwa über die Schichten im Untergrund und über geologische Strukturen), und so entsteht nach und nach mittels komplexer Datenanalyse und Prozesssimulation ein Ausblick, an dessen Ende eine Visualisierung steht. Wie verhalten sich Grundwasserressourcen beispielsweise, wenn sich das Klima ändert? Welche Einflüsse auf die Stabilität der unterirdischen Systeme hat es, wenn der Mensch in sie eingreift? Die dahinterliegenden physikalischen und chemischen Prozesse lassen sich in der Software so präzise abbilden, dass sie universell für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete genutzt werden kann.
“Konsequente Teamarbeit”
Die Jury des UFZ-Forschungspreises würdigt in ihrer Begründung die Verbindung von “konsequenter Teamarbeit über einen langen Zeitraum” und einer großen gesellschaftlichen Bedeutung der Arbeit. “Die sichere Auswahl eines Endlagerstandortes hängt auch zu einem großen Teil von den Berechnungen und Sicherheitenanalysen von OpenGeoSys ab”, heißt es dort. Die Modellierung der in Frage kommenden Standorte begleiten die Wissenschaftler vom UFZ mit, um so ihr fachliches Know-how weiter einzubringen. Im Rahmen des mehrere Jahre dauernden Verfahrens soll geklärt werden, wie sich die Standorte in ferner Zukunft entwickeln – was also beispielsweise mit dem in unterschiedlichen, sogenannten Wirtsgesteinen eingelagerten Atommüll geschieht, wenn es innerhalb der nächsten Jahrtausende zu Eiszeiten käme.
Das Kernteam, das an OpenGeoSys arbeitet und jetzt mit dem UFZ-Forschungspreis ausgezeichnet wurde, besteht aus rund einem Dutzend Mitglieder. Sie stammen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen, von der Mathematik, Physik, Informatik über die Ingenieur- bis hin zu den Geowissenschaften. “Die Kunst besteht in einer guten Mischung der Disziplinen, damit man alle relevanten Aspekte gut abbilden kann”, sagt Olaf Kolditz. Er selbst gehört zu den dienstältesten Gestaltern der Software; neben ihm sind aber auch einige weitere Kolleginnen und Kollegen von Anfang an dabei. Insgesamt sind über die vielen Jahre hinweg kontinuierlich die Erkenntnisse von mehr als 50 Doktorarbeiten in das wissenschaftliche Softwaresystem eingeflossen.
Hintergrund: UFZ-Forschungspreis
Der mit 10.000 Euro dotierte UFZ-Forschungspreis wird einmal jährlich für die herausragende wissenschaftliche Leistung einer Forscherin, eines Forschers oder einer Forschergruppe des UFZ vergeben. Ausgezeichnet wird eine Leistung der integrativen Umweltforschung, die den Stand des Wissens in einem Themengebiet des UFZ besonders vorangebracht und das Ansehen des Zentrums erhöht hat. Neben der wissenschaftlichen Qualität wird berücksichtigt, ob die Forschungsleistung in besonderer Weise den Anspruch der UFZ-Mission erfüllt, zur Bewältigung großer Herausforderungen in Umwelt und Gesellschaft beizutragen.
Neben dem Forschungspreis wurden 2021 folgende UFZ-Preise verliehen:
Kommunikationspreis
Prof. Dr. Reimund Schwarze wird der UFZ-Kommunikationspreis 2021 verliehen. Gewürdigt wird damit seine exzellente Kommunikation von Forschungsergebnissen und Prozessen der internationalen Klimapolitik. Faktenbasiert, glaubwürdig und verständlich bedient er seit mehr als zehn Jahren verschiedenste Kommunikationskanäle und arbeitet vertrauensvoll mit Journalisten zusammen.
Technologietransferpreis
Dr. Markus Kraus, Maria Kraus, Dr. Frank Holzer, Christian Hoyer, Dr. Ulf Roland, Dr. Ulf Trommler wird der UFZ-Technologietransferpreis 2021 verliehen für die Entwicklung vielfältiger, innovativer Anwendungen der Radiowellentechnologie. Diese wurden systematisch bis zur Marktreife entwickelt und legten damit den Grundstein für die Gründung eines Unternehmens, der RWInnoTec GmbH.
Wissenstransferpreis
Dr. Karsten Rinke wird der UFZ-Wissenstransferpreis 2021 verliehen für die Überführung wissenschaftlich-basierter Lösungsansätze in die wasserwirtschaftliche Praxis. In herausragendem Maße ist es ihm gelungen, wissenschaftliche Ergebnisse auf dem Gebiet der Seenforschung am UFZ zu einem angesehenen Beratungs- und Experten-Hub im Kreis der Talsperrenbetreiber zu entwickeln.
Promotionspreis
Dr. Larisa Tarasova wird der UFZ-Promotionspreis 2021 verliehen für ihre exzellente Arbeit, in der sie einen wichtigen Beitrag zur Erklärung der Dynamik des regionalen Wasserabflusses geleistet hat – und damit zu einer besseren Vorhersage künftiger Hochwasserereignisse beiträgt.
Auch an Dr. Christoph Rummel wird in diesem Jahr ein UFZ-Promotionspreis verliehen. Mit seiner exzellenten Arbeit hat er einen wichtigen Beitrag geleistet, um die Freisetzung von Substanzen beim Abbau von Kunststoffen und die Prozesse auf Kunststoffoberflächen während der mikrobiellen Besiedlungsphase zu verstehen.