Generic filters
FS Logoi

“Allgemein anerkannte Regeln der Technik”

Mit einer aktuellen „Verbändeinformation“ vom 1. August 2024 möchten BTGA, DVGW, figawa, gefma und ZVSHK den Fachleuten im Bereich der Trinkwasserinstallation eine Hilfestellung hinsichtlich der anzuwendenden Regelwerke leisten. Der VDI begrüßt diesen Ansatz. Jedoch ist die veröffentlichte Liste von Regelwerken aus Sicht des VDI unvollständig. So fehlen entscheidende Regelwerke, z.B. die Richtlinienreihe VDI 6023. Neben VDI 6023, die durch das Umweltbundesamt (UBA) in seiner zentralen Empfehlung zur Durchführung einer Gefährdungsanalyse als „Dreh- und Angelpunkt“ des sorgfältigen Handelns benannt ist, wurden in der Auflistung der Verbände beispielsweise auch die verpflichtend einzuhaltenden UBA-Bewertungsgrundlagen übersehen.

von | 12.08.24

Die Liste von Regelwerken aus Sicht des VDI unvollständig: Es fehlen Regelwerke, wie die Richtlinienreihe VDI 6023.
AdobeStock/nenetus

In Planung und Errichtung von Trinkwasserinstallationen sind alle allgemein anerkannten Regeln der Technik verpflichtend anzuwenden. Auftragnehmer haben ihre Auftraggeber hinsichtlich der Anwendung zu beraten bzw. diese auf die Risiken etwaiger Nichtbeachtung hinzuweisen. Fachleute und Fachunternehmen, die Trinkwasserinstallationen planen, errichten und betreiben, sollten mindestens die relevanten in VDI 6023 aufgelisteten und in den Schulungen nach VDI 6023 vermittelten Regelwerke anwenden.

Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“

Das Bundesministerium der Justiz legt im „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ fest, was mit dem Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ gemeint ist, wenn dieser in Rechtstexten verwendet wird:

„Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind schriftlich fixierte oder mündlich überlieferte technische Festlegungen für Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach herrschender Auffassung der beteiligten Kreise (Fachleute, Anwender, Verbraucherinnen und Verbraucher und öffentliche Hand) geeignet sind, dass gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen und die sich in der Praxis allgemein bewährt haben oder deren Bewährung nach herrschender Auffassung in überschaubarer Zeit bevorsteht.“

Einem Regelwerk, das von einem anerkannten Regelsetzer, wie dem DIN, aber ebenso dem VDI, nach dessen festgelegtem Verfahren entwickelt wird, ist bis zur Feststellung des Gegenteils durch einen Gerichtsentscheid zu unterstellen, dass es sich um eine allgemein anerkannte Regel der Technik handelt.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten als generelle Vertragsbestandteile bei Verträgen über technische Leistungen. Ihre Erfüllung ist grundsätzlich auch dann geschuldet, wenn sie nicht gesondert vertraglich vereinbart wird. Dies leitet sich insbesondere aus §633 (2) BGB ab. Die dort grundsätzlich geschuldete „Beschaffenheit (…), die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann“ wird just durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik konkretisiert.

Hartmut Hardt, Rechtsanwalt, Mitglied im Vorstand der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, erklärt: „Die Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist grundsätzlich freiwillig. Ihre Anwendung gibt Anlass zu der Vermutung, dass das Werk üblichen, per se geschuldeten Standards entspricht. Werden sie nicht angewendet, kehrt sich die Beweislast um, und der Ersteller des Werks muss die Einhaltung der jeweiligen Schutzziele seinerseits nachweisen können.“

Für Trinkwasser gelten besonders strenge Maßstäbe

Eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit bei der Trinkwasserversorgung ist vorsorgend so weit wie möglich auszuschließen. Daher gilt die Nichteinhaltung von allgemein anerkannten Regeln der Technik in Planung, Errichtung oder Betrieb von Trinkwasserinstallation sofort als Mangel.

Ein Fachunternehmen schuldet nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Kunden durch die Inanspruchnahme des Status „Fachunternehmen“ die Kenntnis der einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik und die entsprechende Beratung auf deren Grundlage.

Bauingenieur Frank Jansen, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, stellt daher die Frage „Wer haftet eigentlich, wenn ein Handwerksbetrieb aus Unkenntnis oder durch Fehlinformation beispielsweise die VDI 6023 oder die VDI 2050 Blatt 2 nicht anwendet und dies als Mangel gerügt wird?“

Welche Regeln gelten als allgemein anerkannt?

Die Verbändeinformation möchte eine Bewertung liefern, welche technischen Regeln als allgemein anerkannt zu betrachten sind. Diese Kategorisierung obliegt tatsächlich jedoch nicht Interessengruppen, sondern ergibt sich durch die tatsächliche Akzeptanz in den Verkehrskreisen, die dann letztlich in der im oben zitierten §633 BGB erwähnten „üblichen Beschaffenheit“ Niederschlag findet. In gerichtsanhängigen Streitfällen greifen Gerichte zur Klärung regelmäßig auf die Dienste von neutralen, sachverständigen Gutachtern zurück.

Arnd Bürschgens, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Fachgebiet Trinkwasserhygiene im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk, stellt dazu fest: „Es ist bedauerlich, dass in der genannten Verbändeinformation die VDI 6023, ein zweifelsfrei in der Praxis etabliertes und anerkanntes Regelwerk, übersehen wurde. Dies umso mehr, als sie in einer der als allgemein anerkannte Regel der Technik aufgelisteten Normen, DIN 1988-200 und DVGW W 551 (A), als maßgeblich für die Hygiene in der Trinkwasserinstallation genannt ist.“

Fazit

Die Richtlinienreihe VDI 6023 und weitere VDI-Richtlinien, wie die Reihe VDI 3810, ist also ebenso relevant wie die seitens DIN oder DVGW ausgefertigten Regelwerke. Eine hilfreiche Einordnung der aufgelisteten Veröffentlichungen in ein Gesamtbild der Trinkwasserhygiene liefert die Verbändeinformation aus Sicht des VDI nicht. Dieses Gesamtbild wird seit ca. 25 Jahren allein durch die Richtlinienreihe VDI 6023 gezeichnet, deren erster Weißdruck im Dezember 1999 als ein vom Umweltbundesamt initiiertes Projekt mit genau diesem Ziel erschien.

Inzwischen haben sich in vom VDI qualitätsüberwachten Partnerschulungen mehr als 45.000 Fachleute für die hygienebewusste Planung, Errichtung und den Betrieb von Trinkwasserinstallationen qualifiziert. Die qualitätsgesicherten VDI-Partnerschulungen vermitteln, abgestimmt auf die Tätigkeit der teilnehmenden Person, das umfassende Bild der Trinkwasserhygiene und ermöglichen den Teilnehmenden, in der direkten Interaktion mit praxiserfahrenen, vom VDI geprüften Vortragenden ihr Wissen zu vertiefen und mit diesem Wissen technisch richtig zu handeln.

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

Jetzt Newsletter abonnieren

Immer auf dem aktuellen Stand, automatisch in Ihrem Postfach.

Hier anmelden

Grundwasserstress in Deutschland
Grundwasserstress in Deutschland

Der BUND und der DVGW sind in den Diskurs eingetreten. Es geht um die Studie des BUND zum Thema “Grundwasserstress in Deutschland”. Der DVGW sieht in ihr gravierende Mängel.

mehr lesen
Stadtwerke machen sich fürs Wassersparen stark
Stadtwerke machen sich fürs Wassersparen stark

Für die Stadtwerke Bad Salzuflen, Detmold, Lemgo und Oerlinghausen ist klar: Es braucht einen sorgsamen Umgang mit dem Lebensmittel Nr.1: Wasser. Denn auch ohne akuten Wasserstress ist die Trinkwasser-Verfügbarkeit vor Ort nicht unbegrenzt – besonders an heißen Tagen mit hoher gleichzeitiger Nachfrage.

mehr lesen
TFA-Einleitungen in den Neckar
TFA-Einleitungen in den Neckar

In der Diskussion um die Gefahren der Ewigkeits-Chemikalie TFA ist das Solvay-Werk in Bad Wimpfen wieder in den Fokus gerückt. Die Chemiefirma leitet dort TFA in den Neckar ein. Die Ewigkeits-Chemikalie Trifluoracetat/Trifluoressigsäure (TFA) steht massiv in der Kritik.

mehr lesen
Dichtungshersteller: Neues Portfolio, kein PFAS
Dichtungshersteller: Neues Portfolio, kein PFAS

Abgestimmt auf die hohen Anforderungen von Trinkwassersystemen soll es sein, das neue WaterPro Portfolio des Dichtungsherstellers Trelleborg Sealing Solutions. Die Werkstoffe sind für Anwendungen wie Wasserhähne und Heizungssysteme, Pumpen, Aufbereitungsanlagen oder intelligente Wasserzähler konzipiert.

mehr lesen

Sie möchten den Wassermeister testen

Bestellen Sie Ihr kostenloses Probeheft

Überzeugen Sie sich selbst: Gerne senden wir Ihnen die Wassermeister kostenlos und unverbindlich zur Probe!

Finance Illustration 03

Firmen zum Thema