08. Juni 2024 ǀ Der besonders von Trockenheit und Hochwasser betroffene Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt zeigt, wie vorausschauendes Grundwassermanagement aussehen kann. Eine Projektgruppe unter Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung hat ein Papier mit Pioniercharakter erarbeitet: Alle Interessengruppen, von der Landwirtschaft über den Wasserversorger bis hin zu Landesbetrieben und Umweltverwaltung, haben gemeinsam Lösungsvorschläge zum nachhaltigen Schutz des Grundwassers entwickelt. Das „Leitbild 2040 Grundwasser – Ziele und Maßnahmen für ein nachhaltiges Grundwassermanagement im Landkreis Mansfeld-Südharz“ wurde am 7. Juni 2024 an den Landrat übergeben.
Die Grundwasserkörper sollen in einem guten Zustand sein. Das fordern Umweltschützer, die sie als ökologischen Lebensraum erhalten wollen, genauso wie Land- und Forstwirte, die sie als Lebensgrundlage für ihre Kulturen brauchen, und Wasserversorger, die Trinkwasser für die Bevölkerung gewinnen. Als Folge von Klimawandel und menschlicher Einwirkung sind Menge und Qualität des Grundwassers in Deutschland aber nicht überall nachhaltig gesichert.
Im Landkreis Mansfeld-Südharz hat sich der örtliche Wasserversorger wegen Uranfunden im Grundwasser bereits 2018 für einen Anschluss an die Fernwasserversorgung entschieden. Seitdem ist der Landkreis weitgehend abhängig von der Rappbodetalsperre als einziger Versorgungsquelle. Durch den Verlust von Wasserschutzgebieten und die Auswirkungen des Klimawandels könnten Grundwasservorkommen in Zukunft erheblich beeinträchtigt sein und wichtige Funktionen wie die Notversorgung nicht mehr garantieren.
Solche Herausforderungen und Unsicherheiten ebneten den Weg für die ISOE-Nachwuchsforschungsgruppe regulate, als sie 2021 versuchte, alle identifizierbaren Interessenvertreter*innen im Landkreis an einen Tisch zu bringen. Dass ein präventives Grundwassermanagement vor Ort notwendig ist, sahen auch die Stakeholder so – und konnten für die vierjährige Mitarbeit in der Projektgruppe gewonnen werden.
Gegenläufige Interessen konstruktiv zusammengebracht
Beim Thema Wasser stehen sich im politischen Alltag Bauernverbände, Forstwirte, Wasserversorger, Umweltschützer, Landesbetriebe für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft und die Verwaltung oft unversöhnlich gegenüber. Dass die Projektgruppe alle an der Wassernutzung interessierten Parteien erfolgreich an einen Tisch gebracht hat, ist wegweisend. Dr. Fanny Frick-Trzebitzky, Co-Projektleiterin am ISOE, zeigt sich überzeugt: „Es ist gelungen, gemeinsam Lösungsvorschläge zum nachhaltigen Schutz des Grundwassers zu formulieren. Die Ergebnisse werden nun von den Projektteilnehmenden aktiv in ihre Verbände und Institutionen getragen.“ Was es für die Kreisverwaltung deutlich leichter mache, die Umsetzung anzugehen.
Mehr Schutz, mehr Zusammenarbeit: Das empfiehlt das Leitbild
Um Quantität und Qualität des Grundwassers vor Ort bis 2040 und darüber hinaus zu sichern, empfiehlt das gemeinsam erarbeitete Leitbild nun:
- das Messstellen-Netz zu erweitern, um eine bessere Datenbasis über das verfügbare Grundwasser sowie über menschgemachte Verschmutzungen zu erhalten.
- das Datenmanagement zu zentralisieren, damit Behörden, Versorger, Landwirtschaft und Wissenschaft gemeinsam die Daten nutzen können.
- das Wasserentnahmeentgelt („Wassercent“) anzuheben, um Schutzmaßnahmen zu finanzieren; etwa um Landwirte zu entschädigen, die nicht düngen und so das Grundwasser schützen.
- Grundwasserschutzzonen einzurichten und Flächen zu entsiegeln bzw. nicht neu zu versiegeln.
- durch Umweltbildung den Wert von Grundwasser für Privatpersonen erfahrbar zu machen.
Die Beteiligten drängen insbesondere auf die Gründung einer ständigen Arbeitsgruppe („Wasserrat Mansfeld-Südharz“), um die angeregten Maßnahmen besser zu unterstützen.
Kick-off für den Umsetzungsprozess
Der Maßnahmenkatalog, der heute an die Stellvertreterin des Landrats, Frau Christiane Beyer, übergeben wird, sei dabei als weit gesteckte Handlungsempfehlung zu verstehen, die die Mobilisierung „einiger Ressourcen“ erfordere, so Frick-Trzebitzky vom ISOE. Steffen Hooper vom Umweltamt des Landkreises Mansfeld-Südharz ergänzt: „Es braucht nun zusätzliches Geld und Personal, um Prioritäten zu bestimmen, Konflikten im Verwaltungsalltag vorzubeugen und zumindest zu einer punktuellen Umsetzung des Leitbilds zu kommen.“
Zur Entstehung des „Leitbilds 2040“
Das „Leitbild 2040 Grundwasser – Ziele und Maßnahmen für ein nachhaltiges Grundwassermanagement im Landkreis Mansfeld-Südharz“ ist zwischen 2021 und 2024 im Rahmen des Forschungsprojekts „regulate – Regulation von Grundwasser in telegekoppelten sozial-ökologischen Systemen“ entstanden. Telekopplung meint die an einem Ort spürbaren ökologischen und sozialen Auswirkungen von Ressourcennutzung an einem anderen Ort. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung hatte die Projektleitung inne.
Neben den Forscher*innen von ISOE, Goethe-Universität in Frankfurt am Main und Rheinland-Pfälzischer Technischer Universität Kaiserslautern-Landau waren am Leitbildprozess folgende Interessengruppen beteiligt: das Umweltamt des Landkreises Mansfeld-Südharz, der Fachbereich Stadtentwicklung und Bauen der Stadt Sangerhausen, der Bauernverband Mansfeld-Südharz e.V., der Wasserverband Südharz, der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, die Agrargesellschaft Riestedt mbH & Co. KG, das Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz, der Forstbetrieb Beyme GbR sowie die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH.
Zum Leitbild 2024