Die Ampelregierung hat im März 2023 ihre nationale Wasserstrategie vorgestellt. Sie hat versprochen, dass damit die Ressource in Zukunft besser geschützt werde und die Trinkwasserversorgung überall sicher bleibe. Wie schätzen Sie das Potenzial der Strategie ein?
Die Nationale Wasserstrategie ist ein zentraler Schritt, um die wachsenden Herausforderungen in den Bereichen Wasserversorgung, Ressourcenschutz und Klimaanpassung in Deutschland anzugehen. Durch den partizipativen Entwicklungsprozess wurden zehn strategische Themenfelder identifiziert, die 78 konkrete Maßnahmen umfassen. Diese decken ein breites Spektrum von kurz- bis langfristigen Handlungsplänen ab und sollen sicherstellen, dass die Wasserversorgung stabil und bezahlbar bleibt, Ressourcen besser geschützt und Klimaanpassungsmaßnahmen effektiver gestaltet werden. Der Erfolg der Strategie hängt jedoch von der konkreten Umsetzung ab. Das Bundesumweltministerium hatte schon für Mitte 2024 einen Umsetzungsplan angekündigt. Nach dem Aus der Ampelkoalition ist unklar, wann er kommt. Aber dieser Plan wird entscheidend sein, um die Maßnahmen koordiniert und wirkungsvoll umzusetzen.
In welchem Themenfeld der Wasserstrategie sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Alle zehn strategischen Themenfelder der Nationalen Wasserstrategie sind wichtig, besondere Aufmerksamkeit erfordern aus meiner Sicht die Maßnahmen zur Anpassung an Wasserextreme. Deutschland sieht sich zunehmend mit Starkregen, Hochwasser und Dürreperioden konfrontiert, die nicht nur Leib und Leben gefährden, sondern auch die Sicherheit unserer Wasserversorgung auf die Probe stellen und gleichzeitig den Ökosystemen substanziellen Schaden zufügen können. Wie massiv der Klimawandel beispielsweise den Grundwasserstress verschärfen kann, haben wir kürzlich in einer Studie für ganz Europa ermittelt. Unsere Berechnungen deuten darauf hin, dass im schlimmsten Fall mehr als die Hälfte der Landfläche Europas bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer Abnahme des Grundwasserabflusses von über 25 % rechnen muss. Diese Abnahme kann die Wasserversorgung und Ökosysteme negativ beeinflussen – hier setzt unsere Forschung an. Es geht darum, uns als Gesellschaft klimaresilienter aufzustellen und solchen Herausforderungen zu begegnen.
Wie greifen Sie diesen Zusammenhang von Extremen und Wasser- bzw. Landnutzung in Ihrer Forschung auf?
Wir sprechen vom sogenannten Wasser-Land-Nexus, denn Fragen des Wassermanagements lassen sich nur im Zusammenhang mit der Landnutzung bearbeiten. Und speziell für die Herausforderungen durch Extreme – also einerseits „zu viel Wasser“ und andererseits „zu wenig Wasser“ – benötigen wir Lösungen, um diese zunehmenden Schwankungen auszugleichen. Zentral ist es daher aus meiner Sicht, den Wasserhaushalt sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zu entschleunigen.
Was muss man sich unter einer Entschleunigung des Wasserhaushalts vorstellen?
Es bedeutet, gewissermaßen den Druck rauszunehmen aus dem Wasserkreislauf, indem wir den Wasserrückhalt stärken. Und genau dieser Punkt taucht in verschiedenen Themenfeldern der Nationalen Wasserstrategie auf, das begrüßen wir.
Ist es realistisch, dass die Wasserwende gelingt?
Die Wasserwende ist zweifellos eine komplexe Aufgabe, denn gemeint ist ja nicht weniger als die Transformation unseres gegenwärtigen Wassermanagements. Aber angesichts der Klimarisiken ist die Wasserwende nun mal dringend erforderlich. Technische Innovationen müssen dabei mit organisatorischen und gesellschaftlichen Veränderungen Hand in Hand gehen, um Wasser effizienter zu nutzen und Extremereignissen besser zu begegnen. Interessant sind in dieser Hinsicht kommunale Klimaanpassungs- oder Wasserversorgungskonzepte, die wichtige Schritte in die richtige Richtung sind.
Ein umfassender Wandel erfordert die Bereitschaft und das Engagement aller, bestehende Praktiken zu hinterfragen und neue Wege zu gehen – sei es durch wassersparende Technologien, blaue und grüne Infrastrukturen zur Wasserspeicherung oder infiltrationssteigende Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft. Das bedeutet aber auch, Konflikte, die mit dem Wandel verbunden sind, zu erkennen, zu bearbeiten und die vielfältigen Interessen auszugleichen. Die Herausforderungen sind wirklich groß. Aber mit dem richtigen, sprich transdisziplinären Ansatz sind wir in der Lage, die Wasserwende erfolgreich zu gestalten und damit unsere Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels auszubauen.
Das gesamte Interview vom ISOE gibt es hier.